Die schweigende Stille

Was kann die Ursache für ein unangenehmes Gefühl sein,
wenn du mit jemandem zusammen schweigst?

Kennst du das? Wenn du mit einer Person zusammen bist, ihr beide einfach nur irgendwo steht, sitzt oder liegt und jeder seinen Gedanken nachhängt und es ist trotz der Stille total angenehm? Das ist die schöne schweigende Stille.

Ich habe sie zum Glück auch schon öfter erlebt. Mit meinem Dad kann ich das am allerbesten. Einfach nichts sagen müssen, ohne dass es unangenehm wird. Aber ich kann mich auch sehr gut an eine Situation in Rom erinnern, wo ich mit einem guten Freund auf der Piazza Navona auf dem Bürgersteig gesessen habe und wir beide verträumt einem Gitarristen zugehört haben. Es war schon recht lang, wie wir da beide schweigend saßen und es wäre nicht unbedingt nötig gewesen, weil wir uns ohne Weiteres gut hätten unterhalten können. Es war allerdings in der Situation genau richtig – für uns beide – wir haben es genossen – und wir haben hinterher beide festgestellt, wie wertvoll es für unsere Freundschaft ist, dass wir auch das zusammen können.

Leider gibt es auch diese unangenehme schweigende Stille. Und die teilt sich für mich noch sogar mehrmals auf:

Diese schweigende Stille, die aufkommt, wenn A-Hörnchen einfach gerade mal nichts sagen möchte und B-Hörnchen das Bedürfnis hat zu reden – weil B-Hörnchen sich unwohl fühlt in der Situation – weil es die Stille nicht aushalten kann – man muss sich doch etwas erzählen – einfach blöd schweigen geht doch nicht – oder weil es sich unter Druck gesetzt fühlt – das muss doch funktionieren – wir müssen doch miteinander reden können….

Diese Stille ist unschön, weil B-Hörnchen sich unwohl fühlt und es sich nicht bessern wird, weil A-Hörnchen einfach seine Ruhe haben möchte – oder auch einfach den Augenblick mal genießt. Fair wäre, dass A-Hörnchen wenigstens noch mal kurz den Mund aufmacht, um B-Hörnchen zu sagen, dass es einfach seine Ruhe braucht oder den Moment nur genießen möchte…. Damit würde B-Hörnchen vielleicht der Druck genommen, unbedingt reden zu müssen, weil es wüsste, dass alles gut ist….

Oder…

Diese schweigende Stille, wenn sich beide tatsächlich einfach nichts zu sagen haben oder sich schlichtweg nicht trauen. Warum? Das habe ich mich auch schon oft gefragt und hatte da mal eine Begegnung mit einem Mann in Holland:

Er und ich waren uns auf Anhieb total sympathisch und hatten viel Spaß auf den Partys, bei denen wir uns immer getroffen haben – rein platonisch – echt! Na ja, wir haben uns immer gefreut, wenn wir uns gesehen haben und trotzdem waren wir nicht in der Lage, uns wirklich miteinander unterhalten zu können – so, wie man das normalerweise macht – quatschen halt….

Es waren immer die gleichen Themen und es ging primär immer um die Partys. Bei unserem letzten Treffen dort haben wir beide festgestellt, dass sich die Generation verändert hatte und wir „zum alten Eisen“ gehörten. Uns war klar, dass das der letzte Abend war, also war ich mutig, ihn einfach mal zu fragen, was er meint, warum wir nicht reden können.

Er meinte daraufhin, dass er das Gefühl hatte, dass er nur langweiliges Zeug von sich geben würde – dass mich das, was er erzählen wollen würde, gar nicht interessiere, weil es eben langweilig in seinen Augen war. Das Lustige an der Sache war, dass ich genau das Gleiche gedacht hatte! Genau deswegen habe ich nichts von mir und meinem Leben erzählt! Weil ich dachte, es sei für ihn zu langweilig….

Da war der Knoten auf einmal geplatzt und wir haben uns noch richtig gut unterhalten – über alles mögliche – und es war überhaupt nicht langweilig….

Oder…

Die für mich schlimmste unangenehme Stille ist die, wenn etwas geklärt werden müsste. Wenn B-Hörnchen mit gefühlten 1.000 Fragen dumm stehen gelassen wird, weil A-Hörnchen schlichtweg nicht reden will – oder es nicht kann – oder sich nicht traut. Nur weiß B-Hörnchen das nicht und versteht es auch nicht, weil es ja nicht weiß, was in A-Hörnchens Kopf herumschwirrt. Schließlich kann B-Hörnchen ja keine Gedanken lesen. Und bei B-Hörnchen kommt dieses Verhalten als Arroganz, Ignoranz oder Desinteresse an.

Das Blöde ist, dass es B-Hörnchen mit allem, was es macht, nur noch schlimmer machen kann. Mitunter ist B-Hörnchen jedoch auch gar nicht in der Lage, es sein zu lassen, weil diese Fragen es einfach auffressen und an den Rand des Wahnsinns treiben. Es kann doch schließlich nicht sein, dass A-Hörnchen nicht in der Lage ist, seine Meinung kundzutun – so schwer ist das doch nicht – einfach ehrlich sein und sagen was Sache ist. Auch wenn B-Hörnchen das vielleicht gar nicht hören will, was A-Hörnchen am liebsten sagen würde – egal – Hauptsache es kommt überhaupt irgendwas…. Alles – auch das vermeintlich Negative – ist besser, als dieses quälende Schweigen.

Ja, ich habe auch das erlebt – mehrfach – unschön!!

Ich muss gestehen, dass ich früher (so vor ca. 25-30 Jahren) auch ein bisschen A-Hörnchen war. Ich habe mich oft nicht getraut, wirklich zu sagen, was ich denke, meine, fühle etc. Weil ich Angst vor Ablehnung, vor Verlust hatte. Weil ich Angst hatte, dass mein Gegenüber, oder besser gesagt mein B-Hörnchen, mich nicht versteht oder ich nicht das sage, was es hören will und dann weg ist.

Im Laufe der Jahre habe ich gemerkt, dass das Käse ist. Es bringt absolut nichts und vor allem bin ich mir selbst gegenüber unehrlich. Und ja, es war ein Prozess des Lernens, auch mal etwas zu sagen, was mein B-Hörnchen vielleicht nicht hören will. Da es jedoch mein Gedanke, meine Meinung oder mein Gefühl ist, ist es einfach nur fair, mein B-Hörnchen wissen zu lassen, was da gerade so bei mir im Kopf herum geht. Das habe ich von einem Mann gelernt – ehrlich sein, ist der fairste Weg, miteinander umzugehen! Danke dafür!

Was mache ich denn, wenn mein B-Hörnchen schweigt?

Tiefe Traurigkeit – Fassungslosigkeit – Unverständnis – wahnsinnige Wut – Selbstzweifel…. Das ist das, was ich durchgemacht habe – wie schon erwähnt, mehrfach. Dann kommt die Entscheidung, was ich mache – bleibe ich und lebe ich damit, dass meine Befindlichkeiten ignoriert werden? Nein – heute nicht mehr – zum Glück – denn ich bin auch was wert. Und es dauert, das auszuhalten und es dauert, bis es wieder gut für mich wird – je nachdem, in welcher Beziehung ich zum jeweiligen B-Hörnchen stand.

Zum Schluss jedoch kommt dann irgendwann endlich und heiß ersehnt die Akzeptanz. Das Akzeptieren, dass ich es nicht ändern kann, dass ich nur mich ändern und lernen kann, mit der Situation und mit der Enttäuschung umzugehen. Zu sehen, dass ich mich selbst getäuscht habe. Meine Wunden zu lecken, u. U. meine Risse in meinem Herzchen heilen zu lassen, aufzustehen, Krone zu richten und weiter zu gehen – das ist es, was ich machen kann. Mehr nicht – aber auch nicht weniger.

Ich lege dir ans Herz: sei ehrlich! Zu dir selbst in erster Linie, aber auch zu deinen Mitmenschen. Sei fair und rede, wenn dir etwas auf der Seele brennt – antworte, wenn du etwas gefragt wirst, auch wenn dein Gegenüber das vielleicht nicht hören möchte. Nur das kann dazu beitragen, dumme Missverständnisse aus dem Weg zu schaffen und tiefe Verletzungen zu vermeiden.

Hab eine gute Zeit!

Deine Tanja

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Das will ich noch sagen…

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